Unsere Erzeuger: Mispeln aus Spanien

Ein Erzeuger der ersten Stunde, der immer ein wenig untergeht, weil er nicht aus der näheren Umgebung stammt, ist unsere spanische Mispelmanufaktur Ruchey aus Callosa d´en Sarrià auf halber Strecke zwischen Valencia und Alicante.

Unser Besuch in der Mispelmanufaktur Ruchey

Blick in das Tal um Callosa d´en Sarrià
Blick in das Tal um Callosa d´en Sarrià

Endlich haben wir auch diesen Betrieb persönlich besuchen können, als wir vergangene Woche anlässlich der Paella-WM in der Gegend waren.

Callosa d´en Sarrià liegt in einer bergigen Gegend, die als einzige weltweit herkunftsgeschützte Mispeln produziert. Das hängt weniger mit der Pflanze (Eriobotrya japonica) als solcher zusammen – die wächst herkunftsbedingt auch im Orient und in Asien – als vielmehr mit der Art und Weise der Aufzucht und des Umgangs mit den Früchten während als auch nach der Ernte zusammen.

Zucht, Pflege und Verarbeitung der Früchte

Estebán, verantwortlicher Agraringenieur der Firma Ruchey
Estebán, verantwortlicher Agraringenieur der Firma Ruchey

Wie uns Estebán, der promovierte Agraringenieur des Betriebes, der seit nunmehr 30 Jahren über die Pflanzen wacht, in seinem Experimentierfeld berichtete, ist der gesamte Prozess Handarbeit. Von der Aufzucht neuer Pflanzen, über die Pflege der Bäume während der Vegetationsphase bis hin zur Ernte und der Verarbeitung erfolgt jeder Arbeitsschritt von Hand. In der Erntezeit wird dafür fast die gesamte Ortschaft mit 6000 Einwohnern mobilisiert. Es gibt Sonderschulferien, weil Lehrer und Kinder mitwirken, es gibt keine Feste wie Trauungen oder Taufen (wird alles vertagt, auch wenn die Gegend christlich geprägt ist), selbst das Krankenhaus ist leer, weil während der Erntezeit noch nicht mal gestorben wird, wie uns Estebán scherzhaft erzählte.

Die Mispelmanufaktur Ruchey aus Callosa d´en Sarrià

Terrassierter Anbau der Bäume im Experimentierfeld
Terrassierter Anbau der Bäume im Experimentierfeld

Aber der Reihe nach: Ruchey ist ein Zusammenschluss von 1200 Bauern, die die Kooperative mit Früchten versorgen. Sie alle haben kleine oder sogar Kleinstparzellen, was der Topographie geschuldet ist, da der Anbau in Terrassen erfolgt, die eine maschinelle Unterstützung unmöglich machen. Der Vorteil: die Bauern haben jeweils eine überschaubare Menge an Bäumen zu versorgen und kommen so ohne jegliche Hilfe chemischer Natur aus. Das bisschen Unkraut, das den Pflanzen Konkurrenz macht, wird von Hand beseitigt.

Mispelblüte

Beginnende Blüte der Mispeln, die im Frühjahr geerntet werden
Beginnende Blüte der Mispeln, die im Frühjahr geerntet werden

Nach der Blüte, deren Beginn gerade bevorsteht, beginnt die eigentliche Arbeit. Wie bei den Winzern auch wird fortwährend ausgedünnt, um am Ende nur die schönsten und größten Früchte zu ernten. Da wo üblicherweise 10-12 Früchte wachsen würden, wird auf 3-4 heruntergestutzt, damit diese besonders schön gedeihen. Das sieht man unseren Mispeln auch an – noch nie haben wir irgendwo größere Früchte serviert bekommen, als wir sie hier anbieten.

Große, reife, Mispelfrüchte

Mispelchen im eigenem Saft und Calvados

Aber Größe ist natürlich nicht alles. Dass die Mispeln immer noch intakt sind, obwohl sie vor dem Einmachen in Läuterzucker geschält und entsteint werden, grenzt an ein Wunder, wenn man das selbst schonmal mit frischen, reifen Früchten versucht hat. Das wiederum geht nur, weil Jahr für Jahr dieselben Personen mit ihrer Riesenerfahrung an den Bändern stehen und diese filigrane Arbeit verrichten. Wie fragil die reife Frucht ist, zeigt wiederum die Art und Weise der Lese. Über den Lauf von Wochen werden jeden Tag nur die Früchte geerntet, die perfekt reif sind. Sie werden vorsichtig abgezupft und kommen lediglich einlagig in mit Schaumstoff ausgelegte Kisten. Ein Riesenaufwand, den man nur auf sich nimmt, wenn einem auch die eigenen Früchte am Herzen liegen. Das ist genau die Mühe, von der wir hoffen, dass auch unsere Gäste sie spüren. Und die am Ende einer langen Tradition steht, die gewährleistet, dass eine außergewöhnliche Qualität entsteht. Deshalb sind wir auch im Falle unserer Mispeln sehr froh, einen Erzeuger gefunden zu haben, der dieses für eine Frankfurter Wirtschaft so bedeutende Produkt in einer Form anbietet, die ihresgleichen sucht.

Das war übrigens nicht so einfach, um das an dieser Stelle überhaupt einmal zu erwähnen. Ruchey nimmt nämlich immer nur neue Kundschaft auf, wenn andere wegfällt. Die Menge an Mispeln aus diesem Tal ist nunmal begrenzt und es gilt die bestehenden Partnerschaften zu pflegen. Dass wir einen Fuß in die Tür bekommen haben, hat sicherlich damit zu tun, dass wir uns spanisch fließend verständigen können, war aber auch, wie ich nachträglich erfahren habe, die Gunst der Stunde, weil natürlich Gastronomen immer mal kommen, aber auch gehen. Erst recht in krisengebeutelten Zeiten.

Planen zur Senkung des Wasserverbrauchs

Windundurchlässige Plane zur Wassereinsparung
Windundurchlässige Plane zur Wassereinsparung

Zum Abschluss dieser digitalen Erzeugerpräsentation muss ich nochmal auf den Anbau zurückkommen, damit man auch die Bilder einordnen kann. Ein Teil der Mispeln wächst unter einer Plane, die 100% Regen und 90% Sonnenlicht, aber so gut wie keinen Wind durchlässt. Der sorgt nämlich für eine höhere Verdunstung. Greift der Wind die Pflanzen aber erst gar nicht an, dann kann der Wasserverbrauch um 25% gesenkt werden. Das ist eine ganz schön große Menge, selbst für eine Region, die für spanische Verhältnisse mit Wasser gesegnet ist (sonst gäbe es dort auch keinen wasserintensiven Reisanbau für Paella). Die einzelnen Bauern entscheiden aber selbst, ob sie die vielen Innovationen, die die Kooperative vorantreibt, umsetzen oder nicht. So entsteht eine bisweilen skurrile Landschaft, deren textile Architektur sofort ins Auge fällt. Gesäumt wird alles durch Orangen- und Zitronenhaine, die jetzt im September kurz vor der Reife stehen. Alles in allem eine etwas ausgedehntere Reise wert, als wir uns das erlauben konnten, nicht zuletzt weil Land und Leute extrem sympathisch sind.

Wir hoffen auf eine baldige Rückkehr, zumal wir in einem zweiten Anlauf versuchen möchten, eine noch bessere Paella zu kochen und hoffen, dass Sie die Mispeln demnächst mit anderen Augen verschlingen.

Buen provecho, Mario Furlanello

 

Zurück